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Miley Cyrus' neues Album: Heilt "Something Beautiful" jetzt die Gesellschaft?

Miley Cyrus' neues Album:  Heilt "Something Beautiful" jetzt die Gesellschaft?

Ich liebe es, wenn sich Popkultur und Politik treffen“, sagte die amerikanische Sängerin Miley Cyrus dem Magazin „Vanity Fair“ 2019. Und für die Welt in diesen unschönen Zeiten hat sie mit Destiny und Hope – Vorsehung und Hoffnung – schon mal die passenden Vornamen - Miley war ja nur der Überrest ihres Spitznamens Smiley aus Kindertagen. Vom Teenieidol wurde Cyrus zu einer Popkönigin, philanthropisch, selbstbewusst und politisch, eine Aktivistin für LGBTQ+ und Menschenrechte, die 2014 die „Happy Hippie Foundation“ gründete, eine Organisation, um junge Menschen aus vulnerablen Gruppen zu schützen. Sie hat zudem Donald Trump früh und wiederholt ihre tiefe Abneigung kundgetan. Heute (30. Mai) erscheint ihr neuntes Album.

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Es heißt „Something Beautiful“, ist ein Konzeptalbum und hat in Zeiten, in denen die Trump-Administration eine Art Abrissbirne gegen Demokratie und vulnerable Gruppen darstellt, „Heilung“ zum Thema. Dabei sei das Werk inspiriert, so verriet die 32-jährige Sängerin dem Magazin „Harper’s Bazaar“, von Pink Floyds Rockoper „The Wall“ (1979). Was zunächst nicht unvorstellbar klingt, schließlich hat Cyrus schon mit den Psychedelic-Indies Flaming Lips zusammengearbeitet und auf tibetischen Klangschalen musiziert. Wer ihre Karriere verfolgt hat, weiß: Bei Miley geht einiges.

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Und die Eröffnung, sinnig „Prelude“ betitelt, hat durchaus etwas Experimentelles, ist ein Minimal-Music-artiges, rhythmisches Gefunkele, über das Cyrus flüsternd spricht: „Wie, wenn du eine Handvoll Asche hältst, / können deine Hände die Dinge nicht bewahren, / die sich schon in Luft aufgelöst haben.“ Romantisch die letzte Zeile. „Die Schönheit, die jemand allein findet, / ist ein Gebet, das sich ersehnt, geteilt zu werden.“ Hört man da Politisches mitschwingen?

Der Titelsong ist auch ungewöhnlich - eine 70er-Jahre-R&B-Ballade hebt an, unter Cyrus Stimme schlängeln sich laszive Bläser, bevor dann eine brachiale Rockgitarre wie eine Axt dreinfährt und ein Saxofon schreit. „Iss mein Herz, brich meine Seele …“, ruft Cyrus.

Ihr „Versuch, eine kranke Kultur mit Musik zu verarzten“ (Cyrus im Apple-Interview mit Zane Lowe) ist in der Folge Pop und Doppelpop. Das ihrer Mutter gewidmete „End of The World“ ist eine Art „Mamma Mia 2025“, das sich auch im Liederbuch der Abbas Björn und Benny gut machen würde.

Supermelodisch ist die Musik, der Text ist dunkel: „Lass uns so tun, als wär’s nicht das Ende der Welt“, singt Cyrus im Refrain. „Baby, du hast immer über die Zukunft gedacht, als gehörte sie dir schon.“ Und dann ein Verweis auf das Herzdatum der amerikanischen Demokratie: „Der Himmel stürzte am 4. Juli (her)ein wie ein Komet.“ Politisch gemeint? Amerikanische Endzeit?

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In der Folge wechselt Tanzbares mit Balladen. „Easy Lover“ erinnert entfernt an Jackos „Billie Jean“, man hört The-Cure-artige Gitarrentwangs finden sich in „Golden Burning Sun“. Der synthetische Discosound der 80er-Jahre feiert kraftvolle Urständ: Communards und REMs „Losing My Religion“ speisen den Song „Walk of Fame“. Nicht alles geht beim ersten Durchlauf ins Ohr, beim dritten Mal aber hat die Kombi aus glitzernden Sounds und rauer Stimme in Hörers Kopf eingeparkt. Das ist der Stoff, der Grammys anzieht.

Zuletzt lief es karrieremäßig superb für den ehemaligen Disney-Channel-Star Cyrus, die im Alter von 14 Jahren mit der Serie „Hannah Montana“ zum Star wurde und danach einige Hochs und Tiefs durchlief. Im Vorjahr holte sie sich spät ihre ersten Grammys – ihr funkpoppiges Abschiedslied „Flowers“ vom Vorgängeralbum „Endless Summer Vacation“ (2023) wurde mit den Preisen für die „Single des Jahres“ und für die beste „Solodarbietung im Bereich Pop“ gekürt.

In der Single-Kategorie setzte sie sich gegen starke Mitbewerber wie Taylor Swifts „Anti-Hero“ und Olivia Rodrigos „Vampire“ durch. Der Song wurde Cyrus‘ größter Hit bisher, stand in mehr als 40 Ländern rund um den Globus auf Platz 1 der Charts - digitale Bilanz 2023: 2,7 Milliarden Streams.

Unter Kolleginnen und Kollegen war Cyrus dagegen schon seit langem anerkannt, eine Frau für das Gute. Auf der Bob-Dylan-Compilation „Chimes of Freedom“ (2012) zum 50. Geburtstag von Amnesty International war sie neben den großen Namen aus Rock, Pop und Indie vertreten – von Elvis Costello über Patti Smith bis Joan Baez. Sie sang „You’re Gonna Make Me Lonesome When You Go“ – das unter Dylan-Kennern als dessen gelungenstes Liebesgedicht gilt.

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Auch in Cyrus Familienleben stehen die Zeichen offenbar auf Heilung. „Mein Dad und ich hatten über die Jahre hinweg unsere Herausforderungen“, schrieb Cyrus erst vor drei Wochen auf Instagram. Die Zeit habe aber viele Wunden geheilt, man habe Brücken gebaut, Familie gehe ihr in ihren 30ern über alles.

Donald Trump sprach Billy Ray Cyrus auf Tochter Miley an

Billy Ray Cyrus ist ein Countrymusiker, dessen Stern Anfang der 90er-Jahre aufging. In US-Medien wird er meist als „Achy-Breaky Heart“-Sänger tituliert – in Anlehnung an seinen größten Hit von 1992. Ein Comeback hatte Papa Cyrus Anfang 2019, als er in einem Remix von „Old Town Road“, der Debütsingle des Rappers Lil Nas X, dessen Duettpartner war. Trump lud ihn zu seinem Inauguration Ball am 20. Januar ein (der Auftritt geriet zum Bühnentechnik-Fiasko).

Schon 2016 postete Miley Cyrus gegen Trump

„Wie hast du so eine liberale Tochter großgezogen, Billy? Wie konnte das passieren?“ hatte Trump den Sänger im Juli 2024 bei einem Wahlkampfauftritt gefragt. Miley hatte schon während des Wahlkampfs 2016 bei Instagram gegen Trump gepostet. Zu lesen war für den Fall eines Wahlsiegs des Republikaners: „Gonna vom / move out da country #aintapartyindausaanymo (Ich werde kotzen / Ich werde das Land verlassen. Gibt keine Party mehr in den USA)“. Später bedauerte sie die Aussage und blieb, ein Wegziehen wäre für sie „Flucht“ gewesen.

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Miley Cyrus 2017 im Interview mit dem "New Musical Express"

„Jeden Tag höre ich auf meinem Instagram-Account. ,Hau schon ab. Wann verschwindest du? (…) Spielt es eine Rolle, wo ich bin? Denn wo immer ich bin, wird meine verf…te Stimme zu hören sein!“, sagte sie dem „New Musical Express“ 2017. Auf den Screens ihrer Konzerte würden „die Worte ,Bildung‘ und ,Gesundheitswesen‘ und ,Gleichheit‘, ,Gerechtigkeit‘, ,Freiheit‘, ,Befreiung‘, stehen. Diese Dinge sind es, die unser Land ausmachen. Es gibt keine Party in den USA“, sagte sie unter Anspielung auf einen ihrer Hits, „wenn sie mit Hass, Diskriminierung, Mauern, Gewalt und all diesen Dingen gefüllt ist.“

Und dann sang sie im selben Jahr mit ihrer Patentante und Country-Ikone Dolly Parton, ebenfalls einer LGBTQ+-Unterstützerin das fröhliche Lied vom „Rainbowland“, das Diversität unter dem Zeichen des Regenbogens ersehnte: „Wäre es nicht schön, im Paradies zu leben, / wo wir frei sind, genau so zu sein, wie wir sind? / Lasst uns alle tief in uns gehen. / Schieben wir Vorurteil und Angst beiseite, / stellen wir falsche Dinge richtig / und beenden den Kampf / denn ich verspreche, niemand wird gewinnen.“ Schon hier war ein Heilungswille herauszuhören.

Miley Cyrus 2019 bei "Vanity Fair" über ihre Selbstverpflichtung als Aktivistin

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Der indes nicht für den Präsidenten galt. 2019 legte Cyrus bei „Vanity Fair“ nach. „Soll ich als jemand, der so stolz darauf ist, eine Aktivistin zu sein, stolz darauf sein, dass ich vor einem völlig rassistischen, sexistischen, hasserfüllten Arschloch davonlaufe und alle anderen hier im Lande zurücklasse, um unter ihm zu leben? Man kann nicht alle anderen sich selbst überlassen.“

Im Wahlkampf 2024 wurde Cyrus dann vermisst. Es finden sich aus jener Zeit keine politischen Statements gegen Trump. Auch keine Erklärung für ihr Ausbleiben. Cyrus sprach sich entgegen den Erwartungen auch nicht für Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, aus. Sie fehlte an der Seite von Beyoncé, Billie Eilish, Taylor Swift, Common, Gracie Abrams, Cardi B., Bruce Springsteen, Cher, Lizzo, J. Lo und Lady Gaga. Vielleicht war sie der Ansicht, dass sich Heilung nicht mit offener Parteinahme verträgt. Vielleicht wollte sie ihr Album sprechen lassen.

Das kaum Parallelen zu „The Wall“ hat, höchstens die, dass es auch für die Psychedelicrocker Pink Floyd ihre bis dato poppigste Platte war. Cyrus‘ Scheibe sei „psychedelisch wie eine Backkartoffel“, setzte der britische „Guardian“ als Überschrift über seine Review. Inhaltlich gibt es Parallelen. Die existenzielle Krise des Helden von „The Wall“ geht am Ende des Doppelalbums weiter.

Wie auch die Ich-Erzählerin in „Give Me Love“ - der Schlussballade, die von Science-Fiction-Keyboards durchwirkt ist - nicht geheilt klingt: „So verabschiede ich mich von den irdischen Freuden / während mein perfektes Eden niederbrennt / ich werde lebendig verschlungen vom Maul eines Monsters / während ich furchtlos deinen Namen ausrufe.“ Politisch?

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Ein Film zum Album wird am 6. Juni beim Tribeca-Festival uraufgeführt, am 12. Juni kommt er für einen Tag in die Kinos von Amerika und Kanada, am 27. Juni soll er international gezeigt werden. Auch ihr Film sei von Alan Parkers „The Wall“-Verfilmung (1982) inspiriert, „nur mit besserer Garderobe und mehr Glamour“.

Letzterer gehörte seit je zur Popkultur. Und der Cyrus’sche Glamour wirft derzeit wieder reichlich Schlagzeilen für Magazine wie „Elle“ und „Cosmopolitan“ ab, ob sie nun bei den Oscars im Mc-Queen-Halfterkleid mit Spitzenhandschuhen über den roten Teppich geht oder im April im schulterfreien schwarzen Minikleid in Paris auftaucht.

Aber: „Ich liebe es, wenn sich Popkultur und Politik treffen“, sagte Cyrus vor sechs Jahren. Beim Pop von „Something Beautiful“ ist dieses Aufeinandertreffen unmerklich. Die diktatorischen Tendenzen der amtierenden Regierung, ihre Respektlosigkeit gegenüber demokratischen Institutionen, ihr aggressiver Tonfall gegenüber Einzelnen, können einen natürlich schrecken. Cyrus‘ Labelkollege Bruce Springsteen wurde für seine Anti-Trump-Brandreden auf seiner Europatour vom Präsidenten bedroht. Wenn er nach Hause komme, werde man sehen, wie es ihm ergeht. Seitdem wartet man auf einen Sturm des Widerstands, der Springsteen beisteht. Für Amerika, das Rainbowland. Keiner kann freilich dazu verpflichtet werden, seine verf...te Stimme zu erheben.

„Something Beautiful“ ist – immerhin – schön geworden. Eine runde Sache.

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Miley Cyrus – „Something Beautiful“ (Columbia) – erscheint am 30. Mai

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